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2. Die Entstehung der Schrift

Vorläufer des neuen Kommunikationsmittels Schrift sind Zeichen und Symbole, Einritzungen auf Kerbstöcken, Zahlentäfelchen und Tonmarken, die zur Buchführung dienten. Mit der südmesopotamischen Hochkultur der Sumerer nimmt die Schrift ihre ersten konkreten Formen an. Aus bildhaften Schriftzeichen werden keilförmige Vertiefungen. Zugleich tritt eine langsame Phonetisierung der Schrift ein, das heißt Schriftzeichen werden nicht mehr mit Bildern, sondern mit Lauten identifiziert und vergrößern somit deren Ausdrucksmöglichkeit. Als Folge davon werden die Schriftzeichen reduziert. So sind von den anfangs 1200 von den Sumerern verwendeten Zeichen bei den Babyloniern nur mehr 500 Zeichen übrig, wobei die babylonisch-assyrische Keilschrift noch keine reine Silben– oder Lautschrift ist. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen aus dem 3. Jahrtausend vor Christi sind hauptsächlich der Verwaltung und Wirtschaft zuzuordnen. Religiöse, literarisch-mythologische oder historische Inhalte, die sich auf eine lange mündliche Tradition berufen, werden erst viel später schriftlich festgehalten und in den ersten Bibliotheken gesammelt. 

Die Ausbreitung der Keilschrift über ganz Mesopotamien, über Teile von Persien und Anatolien und deren Verbreitung als Diplomatiesprache des gesamten vorderen Orients nimmt rapide ab und verschwindet fast komplett als Mesopotamien im 6. Jahrhundert seine Unabhängigkeit verliert und die phönizische Buchstabenschrift entsteht.

In Ägypten treten im 3. Jahrtausend vor Christi erste Schriftzeugnisse auf. Auf Tonpaletten werden mit einer sehr bildhaften Sprache die Namen der Könige festgehalten. Die Hieroglyphen entstehen, wie es scheint, im Gegensatz zur Keilschrift nicht aus wirtschaftlichen Bedürfnissen, sondern aus einem historischen Bewusstsein. Im Gegensatz zur mesopotamischen Registraturschrift, deren Vorläufer Zählsteinchen und Marken sind, scheint es sich hier um eine Überlieferungs- und Sakralschrift zu handeln, die viel mehr zum Erzählen gebraucht wird als zum Zählen. Der Totenkult der Ägypter spielt dabei eine erhebliche Rolle, da die meisten Schriftbelege in den Gräbern, vor allem der Könige, aufbewahrt wurden.

Dass ein Verwaltungsapparat der Größenordnung des damaligen Ägypten ohne ein Hilfsmittel wie es die Schrift war, nicht funktionieren konnte, beweist, dass auch die ägyptische Schrift nicht aus einer historischen, sondern ebenfalls aus einer verwaltungstechnischen Notwendigkeit entstanden ist. Die Tatsache, dass es kaum Schriftzeugnisse gibt, die dies belegen, lässt vermuten, dass im Alltag und in der Verwaltung vor allem Papyrus verwendet wurde, ein Material, das zeitlich vergänglich ist.

Ähnlich wie bei der Keilschrift weiß man nicht, ob die Hieroglyphen langsam aus Bildern oder einer Bilderschrift entstanden sind, oder ob es sich um eine Erfindung im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich um eine einmalige Erschaffung von Wörtern und Lauten verkörpernde Zeichen, handelt. Fest steht, dass die ägyptische Schrift bereits viel stärker phonetisiert war als die Keilschrift. Dadurch ist es dem Franzosen Francois Champollion Anfang des 19. Jahrhunderts gelungen, die Hieroglyphen zu entziffern. Sie sehen hier eine Kopie des Steines von Rosette, mithilfe dessen ihm die Entzifferung geglückt ist. Das Original des Steins ist im British Museum in London zu besichtigen. Dieser  weist einen Gesetzestext aus dem 2. Jahrhundert vor Christi auf, in ägyptischer, demotischer und griechischer Sprache. Beim Demotischen handelt es sich um eine Kursivschrift, die ab dem 7. Jahrhundert vor Christi die Gebrauchsschrift der Ägypter, das Hieratische, verdrängt. Als Ägypten unter griechischer Herrschaft steht, wird Griechisch Verwaltungssprache. Während die Hieroglyphen nur mehr als priesterliche Geheimsprache dienen, ist das Demotische weiterhin in Verwendung. Durch einen Vergleich der 3 Sprachen gelingt dem Franzosen schließlich die Entschlüsselung der bis dahin unleserlichen Hieroglyphen.

Mit dem Einzug des Christentums im 3. Jahrhundert nach Christi werden die Hieroglyphen endgültig vom koptischen Alphabet verdrängt. Dieses besteht aus 24 griechischen Buchstaben.

Um den enormen Verwaltungsapparat und die damit zusammenhängende Bürokratie aufrecht zu erhalten, bildet sich ein eigener Beruf, jener der Schreiber.

Die  Anzahl der Schreiber war sehr gering und hat im Alten Ägypten nur wenige Prozent der Bevölkerung ausgemacht. Kaum vorstellbar, wenn heute etwa nur öffentliche Angestellte und Beamte schreiben könnten!

Zur Schreiberausbildung zugelassen wurden vor allem die Söhne höherer Verwaltungsbeamter und der Aristokratie, später auch die der niederen Beamten, Händler und Kaufleute. Bauern waren im Prinzip nicht ausgeschlossen, konnten aber die hohen Bildungskosten nicht bezahlen.

Im Grunde war die Ausbildung für alle offen, die sie sich leisten konnten, auch für die Frauen. Und es gab auch tatsächlich eine kleine Zahl von Schreiberinnen, die jedoch im Gegensatz zu den männlichen Berufskollegen nicht besonders angesehen waren. Der Beruf des Schreibers war also im Wesentlichen eine Männerdomäne, trotz der weiblichen mesopotamischen und ägyptischen Schreibgöttinnen Nisaba und Seschat. 

Ein Schreiber sollte neben dem Erlernen von Grundkenntnissen in Literatur, Grammatik, Rechnen, in der Geometrie und dem Recht vor allem Zucht und Ordnung kennen lernen. Mit dem Rohrstock wurden die Schreiber zur Unterwürfigkeit erzogen. Vergütet wurde den angehenden Schreibern die harte Ausbildung mit einer privilegierten beruflichen und sozialen Stellung, der Aussicht der gesellschaftlichen Elite anzugehören, als Staatsbeamte, Tempelangestellte oder selbständige Schreiber.  Auch war die Aussicht verlockend, eine nicht körperliche Arbeit zu verrichten, bei der es kaum Vorgesetzte gab.

Ein Schreiber konnte etwa im Auftrag eines Herrschers Hymnen für verschiedene Götter schreiben oder als staatlicher Angestellter verantwortlich für die Lebensmittelverteilung oder Steuereintreibung bei den Bauern sein. Das Bild des Schreibers als Steuereintreiber zeigt die negativen Aspekte der Schrift, nämlich die dadurch ermöglichte Machtausübung und Machtverherrlichung. So hat die Schrift in ihren Anfängen nicht wirklich Kultur geschaffen, sondern eher zu einem rein technischen Fortschritt beigetragen und zur damit verbundenen Versklavung und Ausbeutung der Menschen. 

Es verwundert daher nicht, dass sich bald eine Vereinfachung der Schrift einstellte. Am Rande der ägyptischen und mesopotamischen Hochkulturen entstand eine der breiten Masse zugängliche Buchstabenschrift, die mit dem Bildungs - und Machtmonopol endgültig brach.

Die östliche Mittelmeerküste um die Gebiete des heutigen Israel, Lybien, Syrien wurde bereits Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi  Schauplatz eines regen Handels. Dank der günstigen Lage bildete sich hier der Hauptumschlagplatz für die großen Handelsmächte. Die verschiedensten ethnischen und kulturellen Einflüsse der vielen Händler und kleinen Kaufleute regten eine Vereinfachung der Schrift an. Wie? Die kleinen Händler konnten es sich nicht leisten, einen Schreiber zu beauftragen und mussten deshalb ihr eigener Buchhalter sein.

So entwickelten sich, in Anlehnung an die ägyptischen Hieroglyphen und an die mesopotamische Keilschrift, verschiedene Buchstabenschriften,  aus denen um ca. 1100 v. Chr. die phönizische Schrift hervorging. Anfangs nur in Phönizien, dem heutigen Libanon verbreitet, verdrängt sie alle anderen Schriften im gesamten östlichen Mittelmeergebiet, wurde von den Israeliten in Palästina, und von den Aramäern in Syrien übernommen. Später entwickelten sich daraus die hebräische und die aramäische, sowie die arabische Schrift. 

Die phönizische Schrift, aus einer ökonomisch-sozialen Notwendigkeit heraus entstanden, kann mit Recht als Urmutter aller Alphabete genannt werden. Angeregt durch den regen Handelskontakt wurde sie auch von den Griechen übernommen und weiterentwickelt. Die Neuheit bei den Griechen war die Einführung von Vokalen, womit erstmals eine lautgetreue Aufzeichnung der Sprache möglich war. Durch das Reich Alexanders des Großen wird das griechische Alphabet flächendeckend verbreitet. Die kyrillische Schrift, die heute noch von den slawischen Sprachen verwendet wird, lehnt sich an das griechische Alphabet. Durch die verschiedenen griechischen Kolonien in Frankreich, Spanien und Italien wurde auch dort das Alphabet übernommen, in Italien wahrscheinlich bereits von den Etruskern. 

Mit dem Aufstieg Roms zur Weltmacht und der damit zusammenhängenden Kolonialisierung fand die lateinische Buchstabenschrift weltweite Verbreitung. Einer Demokratisierung der Kultur wurden damit die Wege geebnet.

Die griechische und römische Kultur blieben trotzdem weitgehend mündliche Kulturen, denken wir nur an Homer, der blind war, und dessen Werke mündlich überliefert und erst später aufgeschrieben wurden.

Im Früh- und Hochmittelalter sank der Schriftgebrauch und beschränkte sich weitgehend auf die Klöster, in denen schriftkundige Mönche vor allem christlich-antike Texte kopierten. Lange Zeit bleibt die Schrift das Privileg einer gesellschaftlichen Minderheit, bestehend aus staatlichen und religiösen Würdenträgern, aus Kaufleuten und Händlern, aus Handwerkern und der städtischen Oberschicht. Dies änderte sich erst mit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch den Mainzer Johannes Gutenberg um 1450 und der darauf folgenden Massenproduktion von Papier.

Bewundern Sie hier eine Seite der berühmten Gutenbergbibel, dem ersten Druckwerk Johannes Gutenbergs. 


2. Die Entstehung der Schrift

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